Warum unterstützt das iPad keine echten Benutzerkonten?
Die fehlende Multi-User-Unterstützung beim iPad ist keine technische Unmöglichkeit, sondern eine bewusste Produktentscheidung von Apple. Das Unternehmen positioniert das iPad als persönliches Gerät, ähnlich dem iPhone. Die gesamte iPadOS-Architektur ist auf Ein-Nutzer-Szenarien ausgelegt: Vom Entsperren per Face ID über iCloud-Synchronisation bis zur nahtlosen Integration mit anderen Apple-Geräten desselben Nutzers.
Aus geschäftlicher Perspektive liegt hier aber auch ein gewisser Anreiz: Wenn jedes Familienmitglied ein eigenes iPad benötigt, steigert das natürlich den Absatz. Kritiker sehen darin eine künstliche Beschränkung, während Apple-Befürworter argumentieren, dass die konsequente Personalisierung für ein besseres Nutzererlebnis sorgt.
Geführter Zugriff: Die temporäre Notlösung
Für Situationen, in denen man das iPad kurzzeitig anderen überlassen möchte, hat Apple den geführten Zugriff implementiert. Diese Funktion findet sich unter Einstellungen > Bedienungshilfen > Geführter Zugriff und wurde ursprünglich für pädagogische Zwecke entwickelt.
Der geführte Zugriff sperrt das iPad in eine einzelne App und ermöglicht dem Hauptnutzer, bestimmte Bereiche des Bildschirms oder Funktionen zu deaktivieren. Praktisch ist das beispielsweise, wenn Kinder ein Lernspiel spielen sollen, ohne versehentlich andere Apps öffnen oder In-App-Käufe tätigen zu können. Man öffnet die Einstellungen, navigiert zu Bedienungshilfen, scrollt nach unten zum Bereich geführter Zugriff, aktiviert die Funktion und legt einen Code fest. Dann öffnet man die gewünschte App und drückt dreimal die Seitentaste, markiert Bildschirmbereiche, die deaktiviert werden sollen, und tippt auf Starten.
Zum Beenden drückt man erneut dreimal die Seitentaste und gibt den Code ein. Diese Lösung ist allerdings nur für kurzfristige Szenarien gedacht und bietet keine echte Trennung von Benutzerdaten oder Einstellungen.
Geteiltes iPad: Die professionelle Lösung mit Einschränkungen
Was viele Privatanwender nicht wissen: Apple bietet tatsächlich ein vollwertiges Multi-User-System für iPads an, allerdings nur für Bildungseinrichtungen und Unternehmen. Die Funktion heißt geteiltes iPad und ist über Apple School Manager sowie Apple Business Manager verfügbar.
Diese Lösung ermöglicht echte Benutzerprofile mit separaten Apps, Dokumenten, Einstellungen und iCloud-Accounts. Mehrere Schüler oder Mitarbeiter können sich ein einziges Gerät teilen. Das System speichert die Nutzerdaten entweder lokal auf dem Gerät oder lädt sie bei Bedarf aus der Cloud.
Der Haken an der Sache
Geteiltes iPad funktioniert ausschließlich über eine MDM-Lösung wie Apple School Manager oder Apple Business Manager. Diese Verwaltungssysteme sind für Privatpersonen weder zugänglich noch praktikabel. Man benötigt eine institutionelle Apple-ID, spezielle Lizenzvereinbarungen und die entsprechende IT-Infrastruktur. Das iPad muss zudem betreut werden, um als geteiltes iPad verwendet werden zu können.
Technisch gesehen beweist diese Funktion, dass iPadOS durchaus Multi-User-fähig ist. Apple hat sich jedoch bewusst entschieden, diese Fähigkeit nur kontrollierten Unternehmensumgebungen vorzubehalten. Für Familien mit einem geteilten iPad zu Hause bleibt diese elegante Lösung leider verschlossen. Die Philosophie dahinter ist eindeutig: iPads sind in Apples Konzept als persönliche Geräte gedacht, nicht als Familiencomputer.

Alternative Strategien für gemeinsam genutzte iPads
Wenn man ein iPad dennoch mit anderen teilen muss, gibt es einige kreative Workarounds, die die Situation erträglicher machen. Viele Apps bieten eigene Mehrbenutzer-Funktionen. Safari ermöglicht verschiedene Tab-Gruppen, die man nach Personen benennen kann. Notizen-Apps wie GoodNotes oder Notability erlauben separate Notizbücher. Selbst Streaming-Dienste wie Netflix oder Disney+ haben eigene Profilsysteme.
Diese Methode erfordert allerdings Disziplin: Jeder Nutzer muss daran denken, sein Profil manuell auszuwählen, und sensible Daten bleiben für alle Personen mit Zugriff auf das entsperrte Gerät sichtbar. Die Bildschirmzeit-Funktion kann helfen, bestimmte Apps oder Inhalte für bestimmte Tageszeiten oder nach einem festgelegten Zeitkontingent zu sperren. Das ist besonders nützlich, wenn Kinder das Gerät mitbenutzen. Man findet diese Optionen unter Einstellungen > Bildschirmzeit.
Browser wie Chrome oder Edge unterstützen verschiedene Profile mit eigenen Lesezeichen, Passwörtern und Verlauf. Das ist zumindest für die Web-Nutzung eine praktische Trennung, auch wenn sie nicht systemweit gilt.
Die Familienfreigabe als halbe Lösung
Apples Familienfreigabe ermöglicht zwar das Teilen von App-Käufen, iCloud-Speicher und Abonnements, löst aber nicht das Problem gemeinsam genutzter Hardware. Alle Familienmitglieder benötigen weiterhin eigene Apple-Geräte, um von diesen Funktionen zu profitieren. Interessanterweise zeigt gerade diese Funktion, dass Apple durchaus an familienorientierte Szenarien denkt, nur eben konsequent mit dem Ansatz, dass jede Person ihr eigenes Gerät besitzt.
Wird sich das ändern?
In der Tech-Community wird seit Jahren über echte Benutzerkonten für Consumer-iPads spekuliert. Mit jedem iPadOS-Update hoffen manche auf diese Funktion, bisher vergeblich. Selbst iPadOS 18 bleibt in Bezug auf die Unterstützung für mehrere Benutzerkonten hinter macOS zurück. Während Macs von jeher die Möglichkeit bieten, mehrere Benutzerkonten zu verwenden, ist dies auf dem iPad weiterhin nicht möglich.
Apple schweigt sich über die Gründe aus, doch die Firma hat historisch bewiesen, dass sie Features durchaus nachreichen kann, wenn der Markt danach verlangt. Die zunehmende Positionierung des iPad Pro als Laptop-Ersatz könnte irgendwann einen Kurswechsel erzwingen. Professionelle Nutzer, die ihr teures iPad als Hauptarbeitsgerät verwenden, erwarten mittlerweile Desktop-ähnliche Funktionen. Split-Screen, externe Display-Unterstützung und Maus-Support waren früher undenkbar, heute sind sie Realität.
Bis dahin bleibt das iPad ein fundamental persönliches Gerät. Wer echte Multi-User-Unterstützung benötigt, muss entweder in mehrere Geräte investieren, auf Android-Tablets mit entsprechender Funktion ausweichen oder sich mit den beschriebenen Workarounds arrangieren. Die technische Infrastruktur für Benutzerkonten existiert bereits in iPadOS und wartet nur darauf, eines Tages für alle Nutzer freigeschaltet zu werden.
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