Die rechtliche Grundlage: Was bedeuten die Bezeichnungen wirklich?
Wer im Supermarktregal nach einem erfrischenden Fruchtgetränk greift, steht vor einer verwirrenden Auswahl. Bunte Verpackungen mit appetitlichen Früchten suggerieren Natürlichkeit und Qualität – doch die Unterschiede zwischen Fruchtsaft, Nektar und Fruchtsaftgetränken könnten kaum größer sein. Während manche Flaschen tatsächlich reinen Fruchtsaft enthalten, verbergen sich hinter anderen Bezeichnungen stark verdünnte und gezuckerte Getränke.
In Deutschland und der gesamten EU regelt die Fruchtsaftverordnung klar, welche Produkte welche Bezeichnung tragen dürfen. Diese gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig – trotzdem nutzen viele Hersteller geschickte Marketingtricks, um Verbraucher in die Irre zu führen. Das Problem beginnt bereits bei der Platzierung der korrekten Verkaufsbezeichnung auf der Verpackung: Während große, bunte Schriftzüge und Obstabbildungen die Vorderseite dominieren, versteckt sich die tatsächliche Produktbezeichnung oft klein gedruckt an unauffälliger Stelle.
Fruchtsaft: Die Königsklasse unter den Fruchtgetränken
Ein echter Fruchtsaft besteht zu 100 Prozent aus Frucht – entweder als Direktsaft oder aus Konzentrat rückverdünnt. Hier dürfen keine Zuckerzusätze erfolgen. Der natürliche Fruchtzuckergehalt bleibt dabei erhalten, weshalb auch reiner Saft keineswegs kalorienarm ist. Bei Direktsaft wird die Frucht gepresst, das Getränk pasteurisiert und abgefüllt. Saft aus Konzentrat durchläuft einen zusätzlichen Schritt: Das Wasser wird zunächst entzogen, um Transport und Lagerung zu erleichtern, und später wieder hinzugefügt.
Fruchtnektar: Der unterschätzte Kompromiss
Nektar enthält je nach Fruchtsorte zwischen 25 und 50 Prozent Fruchtanteil. Diese enorme Spannbreite verwirrt viele Käufer: Ein Birnennektar muss mindestens 50 Prozent Frucht enthalten, während bei exotischeren oder säurereicheren Früchten wie Johannisbeeren nur 25 Prozent vorgeschrieben sind. Der Rest besteht aus Wasser und oft zusätzlichem Zucker, wobei der Zuckeranteil höchstens 20 Prozent ausmachen darf.
Die Herstellung von Nektar ist für manche Früchte durchaus sinnvoll: Besonders säurereiche oder dickflüssige Früchte wie Johannisbeeren, Sauerkirschen oder Bananen wären pur kaum genießbar. Problematisch wird es, wenn Nektar als vollwertiger Saft vermarktet wird.
Fruchtsaftgetränke: Hier beginnt die Täuschung
Bei Fruchtsaftgetränken sinkt der vorgeschriebene Fruchtanteil dramatisch: Lediglich 6 bis 30 Prozent Frucht müssen enthalten sein, abhängig von der Sorte. Bei Zitrusfrüchten sind es mindestens 6 Prozent, bei anderen Fruchtarten mindestens 10 Prozent und bei Kernobst oder Trauben mindestens 30 Prozent. Der Rest ist eine Mischung aus Wasser, Zucker oder Süßungsmitteln, Aromen und oft auch Farbstoffen. Diese Produkte haben mit einem gesunden Fruchtgetränk wenig gemein und ähneln eher einer aromatisierten Zuckerlösung. Trotzdem werden sie durch geschickte Verpackungsgestaltung oft als natürliche Alternative präsentiert.
Wie Hersteller Verbraucher systematisch in die Irre führen
Die größte Irreführung liegt nicht in falschen Angaben – diese wären illegal –, sondern in der bewussten Gestaltung von Verpackungen. Große Früchte auf der Vorderseite, grüne Farbtöne zur Suggestion von Natürlichkeit und Begriffe wie „Fruchtgenuss“ oder „mit Vitaminen“ lenken vom tatsächlichen Produktinhalt ab.
Versteckspiel mit der Verkaufsbezeichnung
Die gesetzlich vorgeschriebene Verkaufsbezeichnung findet sich häufig in winziger Schrift am unteren Rand der Verpackung oder auf der Rückseite. Gleichzeitig prangt auf der Vorderseite in riesigen Lettern ein Fantasiename, der mit Begriffen wie „Frucht“, „Vital“ oder „Pur“ spielt, ohne die eigentliche Produktkategorie zu nennen. Ein aufmerksamer Blick auf das Kleingedruckte ist daher unerlässlich.
Die Tücken der Aufmachung
Abbildungen von frischem Obst erwecken den Eindruck, das Getränk bestehe überwiegend aus diesen Früchten. Tatsächlich sagt die Bildgestaltung nichts über den Fruchtgehalt aus. Selbst ein Getränk mit nur 10 Prozent Orangenanteil darf mit saftigen Orangen beworben werden. Besonders perfide: Manche Verpackungen zeigen Früchte, die im Produkt gar nicht oder nur in Spuren vorkommen.

Praktische Tipps für den bewussten Einkauf
Mit einigen einfachen Strategien lässt sich die Irreführung durchschauen und eine fundierte Kaufentscheidung treffen. Die Zutatenliste ist dabei euer bester Freund: Zutaten müssen in absteigender Reihenfolge nach Gewicht aufgeführt werden. Steht Wasser oder Zucker an erster Stelle, handelt es sich garantiert nicht um einen hochwertigen Fruchtsaft. Bei echtem Saft steht die Frucht immer an erster Position. Auch die Länge der Zutatenliste gibt Aufschluss: Je mehr Zusatzstoffe, Aromen und E-Nummern aufgeführt sind, desto weiter ist das Produkt vom natürlichen Original entfernt.
Bei Fruchtsaftgetränken hilft nur der Blick ins Kleingedruckte. Zutatenliste und die Bezeichnung geben eindeutig Auskunft über Art und Zusammensetzung des Getränks. Steht Zucker weit vorne, besteht das Getränk vor allem aus Zuckerwasser. Ein hoher Zuckergehalt in der Nährwerttabelle ist nicht automatisch negativ – reiner Fruchtsaft enthält natürlicherweise viel Fruchtzucker. Entscheidend ist, ob zusätzlicher Zucker beigefügt wurde. Dies erkennt ihr an der Zutatenliste: Begriffe wie Saccharose, Glukosesirup, Dextrose oder auch „Süßungsmittel“ weisen auf Zusätze hin.
Während der Preis allein kein Qualitätsmerkmal ist, sollten unrealistisch günstige Angebote skeptisch machen. Echter Fruchtsaft aus qualitativ hochwertigen Früchten hat seinen Preis. Ein Litergetränk für unter einem Euro ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kein reiner Saft, sondern ein stark verdünntes Fruchtsaftgetränk.
Gesundheitliche Überlegungen beim Fruchtgetränkekonsum
Selbst reiner Fruchtsaft ist kein Freibrief für unbegrenzten Konsum. Der hohe Fruchtzuckergehalt lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen. Fruchtsaftgetränke mit zusätzlichem Zucker belasten den Körper noch stärker und tragen zur Kalorienbilanz bei, ohne entsprechende Nährstoffe zu liefern. Nektar bewegt sich im Mittelfeld: Bei Früchten, die pur zu säurehaltig wären, stellt Nektar eine vertretbare Alternative dar. Trotzdem sollte auch hier auf den Zuckerzusatz geachtet werden. Manche Hersteller fügen deutlich mehr Zucker hinzu als geschmacklich notwendig wäre.
Besondere Fallstricke bei bestimmten Produktkategorien
Schorlen: Die verdünnte Alternative
Eine Fruchtsaftschorle besteht aus mindestens 50 Prozent Fruchtsaft und Wasser. Diese Mischung reduziert den Kaloriengehalt und macht das Getränk bekömmlicher, ohne auf den Fruchtgeschmack verzichten zu müssen. Wer selbst zur Flasche Mineralwasser greift und diese mit reinem Saft mischt, hat die volle Kontrolle über das Mischverhältnis und spart dabei oft auch noch Geld.
Smoothies: Eine eigene Kategorie mit eigenen Tücken
Smoothies fallen nicht unter die Fruchtsaftverordnung, da sie pürierte Frucht enthalten. Dies ermöglicht noch mehr Spielraum bei der Zusammensetzung. Während hochwertige Smoothies tatsächlich aus püriertem Obst bestehen, enthalten andere hauptsächlich Saft, Wasser, Verdickungsmittel und Aromen. Die Bezeichnung „Smoothie“ ist rechtlich nicht geschützt und verspricht daher keine bestimmte Qualität.
Eistees und fruchtige Getränke
Produkte, die mit Fruchtgeschmack werben, aber nicht als Saft, Nektar oder Fruchtsaftgetränk bezeichnet werden, unterliegen noch lockereren Vorgaben. Hier können Fruchtanteile im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen, während Aromen und Zucker dominieren. Die große Obstabbildung auf der Verpackung täuscht über die tatsächliche Zusammensetzung hinweg.
Was sich politisch ändern müsste
Verbraucherschützer fordern seit Jahren klarere Kennzeichnungspflichten. Die Verkaufsbezeichnung sollte prominent und in einer Mindestschriftgröße auf der Vorderseite erscheinen. Bildliche Darstellungen sollten dem tatsächlichen Fruchtanteil entsprechen. Solche Maßnahmen würden für mehr Transparenz sorgen und die bewusste Kaufentscheidung erleichtern.
Bis dahin bleibt die Verantwortung beim Verbraucher: Wer sich die Zeit nimmt, Etiketten genau zu lesen und die Unterschiede zwischen den Produktkategorien zu verstehen, kann Irreführungen erkennen und Produkte auswählen, die den eigenen Ansprüchen tatsächlich entsprechen. Der Griff zur Wasserflasche und zum frischen Obst bleibt allerdings in den meisten Fällen die gesündeste Alternative.
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