Beim Einkauf im Supermarkt verlassen sich Eltern darauf, dass die Bezeichnungen auf Lebensmittelverpackungen klar und eindeutig sind – besonders wenn es um Naturreis und die Ernährung ihrer Kinder geht. Doch gerade bei diesem Vollkornprodukt zeigt sich ein Problem, das viele Verbraucher unterschätzen: Verkaufsbezeichnungen, die mehr versprechen als sie halten, oder durch geschicktes Marketing einen falschen Eindruck erwecken.
Wenn Naturreis nicht gleich Naturreis ist
Der Begriff „Naturreis“ klingt vertrauenswürdig und gesund – genau das, was gesundheitsbewusste Eltern für ihre Kinder suchen. Doch die Realität in den Supermarktregalen ist komplexer. Nicht jedes Produkt, das sich mit natürlich klingenden Bezeichnungen schmückt, entspricht tatsächlich den Erwartungen, die dieser Begriff weckt. Manche Hersteller nutzen Formulierungen, die zwar rechtlich zulässig sind, aber bei genauerer Betrachtung irreführend wirken können.
Das Problem beginnt bereits bei der Definition: Echter Naturreis wird lediglich entspelzt, wobei die nicht essbare Strohhülse entfernt wird. Das nährstoffreiche Silberhäutchen, das sogenannte Perikarp, bleibt dabei erhalten. Doch existieren zahlreiche Produkte mit Bezeichnungen wie „Natur-Art“, „naturbelassen verarbeitet“ oder „nach Natur-Tradition“, die nicht zwingend denselben Qualitätsstandards entsprechen müssen.
Kreative Bezeichnungen und ihre Tücken
Die Lebensmittelindustrie hat ein Händchen dafür entwickelt, Produktbezeichnungen zu kreieren, die positive Assoziationen wecken, ohne dabei konkrete Zusagen zu machen. Bei Reisprodukten für Kinder finden sich häufig Formulierungen, die Eltern in Sicherheit wiegen sollen: Bezeichnungen mit dem Wort „Natur“ in Kombination mit anderen Begriffen, Zusätze wie „schonend verarbeitet“ oder „traditionell hergestellt“, Bildsprache mit grünen Farbtönen und Naturmotiven, die den Eindruck von Vollwertigkeit verstärken, sowie kindgerechte Aufmachung mit Cartoon-Figuren, die Gesundheit suggerieren.
Der rechtliche Graubereich
Die Lebensmittelinformationsverordnung schreibt zwar vor, dass Verkaufsbezeichnungen nicht irreführend sein dürfen, doch die Auslegung dieses Grundsatzes lässt Spielraum. Ein Produkt muss nicht zwingend als „Naturreis“ bezeichnet werden, um diesen Eindruck zu erwecken. Geschickt platzierte Begriffe in der Produktbezeichnung oder auf der Vorderseite der Verpackung können ausreichen, um Verbraucher zu beeinflussen – ohne dabei gegen geltendes Recht zu verstoßen.
Besonders problematisch wird es, wenn die eigentliche Verkaufsbezeichnung in kleiner Schrift am Rand der Verpackung steht, während große, auffällige Schriftzüge andere Botschaften vermitteln. Eltern, die beim Einkauf unter Zeitdruck stehen oder von ihren Kindern abgelenkt werden, übersehen solche Details leicht.
Warum gerade Eltern betroffen sind
Eltern stehen beim Lebensmitteleinkauf unter besonderem Druck. Sie wollen ihren Kindern eine gesunde, ausgewogene Ernährung bieten und gleichzeitig Produkte wählen, die Kinder auch tatsächlich essen. Diese Doppelbelastung macht sie anfällig für Marketingstrategien, die Gesundheit und Kindergerechtigkeit versprechen.
Naturreis wird häufig als wertvoll für die Ernährung angesehen, da er im Vergleich zu geschältem Reis mehr Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe enthält. Kein Wunder also, dass Eltern gezielt nach solchen Produkten suchen – und genau diese Nachfrage machen sich manche Hersteller zunutze.
Der Zeitfaktor im Supermarkt
Die Realität des Einkaufens mit Kindern erlaubt selten ein gründliches Studium aller Verpackungsdetails. Zwischen quengelnden Kindern, vollem Einkaufswagen und begrenzter Zeit orientieren sich Eltern an schnell erfassbaren Signalen: der Produktbezeichnung auf der Vorderseite, der Farbgestaltung, bekannten Begriffen. Genau hier setzen irreführende Verkaufsbezeichnungen an.
Worauf Sie konkret achten sollten
Um nicht in die Falle irreführender Bezeichnungen zu tappen, braucht es geschärfte Aufmerksamkeit und Wissen um einige Kniffe. Die tatsächliche Verkaufsbezeichnung finden Sie häufig in deutlich kleinerer Schrift als der Produktname, oft an unerwarteten Stellen der Verpackung. Bei echtem Naturreis lautet sie schlicht „Naturreis“ oder „ungeschälter Reis“ – ohne blumige Zusätze.

Vorsicht ist geboten bei Wortkombinationen: Sobald das Wort „Natur“ mit anderen Begriffen kombiniert wird, sollten Sie skeptisch werden. „Natur-Qualität“, „wie Naturreis“ oder ähnliche Formulierungen sind oft Hinweise darauf, dass es sich eben nicht um klassischen Naturreis handelt.
Die Zutatenliste lügt nie. Bei echtem Naturreis steht dort nur: Naturreis oder Vollkornreis. Finden sich weitere Zutaten oder Zusätze, handelt es sich um ein verarbeitetes Produkt, auch wenn die Aufmachung anderes suggeriert.
Parboiled-Reis und andere Verarbeitungsformen
Eine besondere Quelle der Verwirrung stellen parboiled Reisprodukte dar. Bei diesem Verfahren wird der Reis – entweder noch in der Strohhülse oder nach dem Schälen – in Wasser eingeweicht. Durch den Einsatz von Hitze und Druck werden dabei Nährstoffe aus Randschichten ins Innere verlagert, bevor der Reis geschält wird. Solche Produkte werden manchmal mit Formulierungen beworben, die den Eindruck erwecken, es handle sich um Naturreis – obwohl sie technisch gesehen geschälter Reis mit veränderter Nährstoffverteilung sind.
Die Folgen falscher Produktwahl
Wer statt echtem Naturreis zu einem Produkt mit irreführender Bezeichnung greift, zahlt möglicherweise denselben Preis, erhält aber nicht das erwartete Produkt. Darüber hinaus untergräbt diese Praxis das Vertrauen in Lebensmittelkennzeichnungen allgemein. Wenn Eltern feststellen, dass sie trotz sorgfältiger Auswahl getäuscht wurden, führt das zu Frustration und Verunsicherung beim Einkauf.
Praktische Strategien für den bewussten Einkauf
Der beste Schutz gegen irreführende Verkaufsbezeichnungen ist Information und eine gesunde Portion Skepsis. Nehmen Sie sich beim ersten Einkauf eines neuen Produkts bewusst Zeit, die Verpackung gründlich zu lesen – auch die Rückseite und die Seitenflächen.
Fotografieren Sie die Zutatenliste, damit Sie zu Hause in Ruhe nachrecherchieren können, ohne unter Zeitdruck stehen zu müssen. Beim nächsten Einkauf wissen Sie dann bereits, welches Produkt wirklich hält, was es verspricht.
Vergleichen Sie bewusst: Stellen Sie verschiedene Produkte nebeneinander und achten Sie auf Unterschiede in der Formulierung der Verkaufsbezeichnung. Oft werden die Unterschiede erst im direkten Vergleich deutlich.
Hinterfragen Sie Preise: Wenn ein vermeintlicher Naturreis deutlich günstiger ist als andere Produkte dieser Kategorie, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass es sich tatsächlich um ein anderes Produkt handelt, das lediglich geschickt vermarktet wird.
Aufklärung der Kinder
Je nach Alter können auch Kinder in den bewussten Einkaufsprozess einbezogen werden. Erklären Sie ihnen altersgerecht, warum Sie bestimmte Produkte wählen oder ablehnen. Das schult nicht nur ihr Bewusstsein für gesunde Ernährung, sondern macht sie zu kritischen Konsumenten, die später selbst nicht auf Marketingtricks hereinfallen.
Wenn Sie getäuscht wurden
Haben Sie ein Produkt gekauft, dessen Verkaufsbezeichnung Sie als irreführend empfinden? Verbraucherzentralen sind Anlaufstellen für solche Fälle. Sie sammeln Beschwerden, prüfen Produkte und gehen in begründeten Fällen rechtlich gegen irreführende Kennzeichnungen vor. Ihre Meldung kann dazu beitragen, dass problematische Produkte vom Markt genommen oder zumindest korrekter gekennzeichnet werden müssen.
Auch eine Rückmeldung direkt beim Händler kann sinnvoll sein. Supermärkte sind auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen und nehmen Beschwerden über irreführende Produkte oft ernst.
Die Verantwortung für eine klare und ehrliche Kennzeichnung liegt primär bei den Herstellern und sollte durch entsprechende Kontrollen gewährleistet werden. Als mündige Verbraucher können wir jedoch durch Aufmerksamkeit, kritisches Hinterfragen und gegebenenfalls Beschwerden dazu beitragen, dass Standards eingehalten und Transparenz geschaffen wird. Gerade wenn es um die Ernährung unserer Kinder geht, ist diese Wachsamkeit keine Übervorsicht, sondern notwendiger Verbraucherschutz im Alltag.
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