Während sich im November der Nebel über die sanften Hügel Bulgariens legt, erwacht Veliko Tarnovo in einer ganz besonderen Atmosphäre. Die ehemalige Hauptstadt des Zweiten Bulgarischen Reiches thront majestätisch über den Windungen des Flusses Jantra und bietet genau die richtige Mischung aus Geschichte, Kultur und Authentizität – ohne die sommerlichen Touristenströme und zu einem Bruchteil der Kosten westeuropäischer Reiseziele. Für ein verlängertes Wochenende ist diese Stadt im Herzen Bulgariens geradezu ideal: überschaubar, faszinierend und perfekt für Reisende, die Wert auf Substanz statt Spektakel legen.
Eine Stadt wie aus dem Geschichtsbuch
Veliko Tarnovo ist keine dieser Städte, die man einfach abhakt. Sie fordert Zeit und Aufmerksamkeit, belohnt aber mit Eindrücken, die lange nachwirken. Das historische Zentrum schmiegt sich terrassenförmig an die Hänge, verbunden durch verwinkelte Gassen und steile Treppen, die zu verborgenen Aussichtspunkten führen. Die Festung Tsarevets erhebt sich auf einem Hügel und dominiert die Skyline – ihre mächtigen Mauern erzählen von einer Zeit, als hier über ein ganzes Reich regiert wurde.
Im November liegt über der Stadt eine besondere Stille. Die Temperaturen bewegen sich angenehm zwischen 8 und 15 Grad, ideal für ausgedehnte Spaziergänge ohne die Hitze des Sommers oder die eisige Kälte des Winters. Das goldene Herbstlicht taucht die ockerfarbenen Fassaden der Altstadthäuser in warme Töne, und an klaren Tagen bietet sich von den erhöhten Aussichtspunkten ein atemberaubender Blick über das Flusstal.
Was die Stadt zu bieten hat
Die Festung Tsarevets ist zweifellos das Herzstück der Stadt. Der Eintritt kostet gerade einmal 6 Euro, und dafür erhält man Zugang zu einem archäologischen Komplex, der seinesgleichen sucht. Nehmen Sie sich Zeit, die verschiedenen Ebenen zu erkunden – vom Patriarchenpalast bis zum rekonstruierten Königspalast. Die Aussicht von der Spitze rechtfertigt jeden einzelnen Schritt nach oben.
Weniger bekannt, aber nicht minder beeindruckend ist der Hügel Trapezitsa auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Hier standen einst über siebzehn Kirchen, und die Ausgrabungen lassen erahnen, wie lebendig dieses Viertel im Mittelalter gewesen sein muss. Der Zugang ist kostenfrei, und die Ruhe an diesem Ort lädt zum Verweilen ein.
Die Samovodska Charshiya, die historische Handwerkerstraße, führt durch das alte Kunsthandwerkerviertel. Kleine Werkstätten reihen sich aneinander, in denen noch immer traditionelle Handwerkskunst praktiziert wird. Hier findet man authentische Souvenirs zu fairen Preisen – handgewebte Textilien gibt es bereits ab 15 Euro, kunstvolle Keramik ab 8 Euro. Das Schöne daran: Man unterstützt direkt lokale Handwerker, nicht anonyme Souvenirläden.
Kulturelle Entdeckungen abseits der Hauptrouten
Das Archäologische Museum beherbergt eine beeindruckende Sammlung thrakischer, römischer und mittelalterlicher Artefakte. Der Eintritt liegt bei bescheidenen 4 Euro, und die Exponate sind überraschend gut präsentiert. Besonders die Goldschmiedearbeiten aus der thrakischen Zeit sind von einer Feinheit, die selbst anspruchsvolle Museumsbesucher begeistert.
Ein Spaziergang entlang der Gurko-Straße offenbart die architektonische Seele der Stadt. Die typischen Häuser der Bulgarischen Wiedergeburt mit ihren vorspringenden Obergeschossen und geschnitzten Holzbalkonen säumen die Gasse. An deren Ende steht die Kirche der Vierzig Märtyrer, ein bescheidener Bau mit außergewöhnlichen mittelalterlichen Fresken und historischen Inschriften.
Praktische Überlegungen für die Anreise und Fortbewegung
Veliko Tarnovo erreicht man am besten über Sofia, das von zahlreichen europäischen Städten angeflogen wird. Die Busverbindung vom Flughafen Sofia zur Stadt dauert etwa drei Stunden und kostet zwischen 10 und 15 Euro. Die Busse sind modern und komfortabel – eine durchaus angenehme Art zu reisen und dabei die bulgarische Landschaft zu beobachten.

Innerhalb der Stadt bewegt man sich hauptsächlich zu Fuß. Die meisten Sehenswürdigkeiten liegen in fußläufiger Entfernung, wenn auch mit einigen Steigungen. Lokale Busse verbinden die verschiedenen Stadtteile für gerade einmal 0,50 Euro pro Fahrt, doch die wahre Schönheit der Stadt erschließt sich ohnehin nur beim Flanieren durch die Gassen.
Für Ausflüge in die Umgebung – etwa zum Kloster Preobrazhenie oder in das malerische Dorf Arbanasi – bieten sich Sammeltaxis an, die deutlich günstiger sind als private Touren. Eine Fahrt nach Arbanasi kostet etwa 3 Euro und ermöglicht die Erkundung eines der besterhaltenen architektonischen Ensembles Bulgariens.
Übernachtungsmöglichkeiten mit Charakter und Charme
Die Unterkunftslandschaft in Veliko Tarnovo ist erfreulich vielfältig und erschwinglich. Gemütliche Gästehäuser in restaurierten historischen Gebäuden bieten Doppelzimmer bereits ab 30 Euro pro Nacht. Diese Häuser haben oft mehr Atmosphäre als manches Luxushotel – knarrende Holzböden, dicke Steinmauern und Ausblicke, die man nicht vergisst.
Wer es etwas komfortabler mag, findet kleine Hotels der Mittelklasse für 45 bis 60 Euro pro Nacht. Viele liegen direkt in der Altstadt und bieten Frühstück mit lokalen Spezialitäten. Im November sind die Preise niedriger als in der Hochsaison, und die Gastgeber haben mehr Zeit für persönliche Empfehlungen und Gespräche.
Kulinarische Entdeckungen zum kleinen Preis
Die bulgarische Küche ist herzhaft, authentisch und erfreulich günstig. In traditionellen Mehanas, den landestypischen Gasthäusern, bekommt man ein vollständiges Abendessen mit Vorspeise, Hauptgang und lokalem Wein für 12 bis 18 Euro. Die Portionen sind großzügig, die Zutaten frisch, und die Atmosphäre ist unprätentiös und einladend.
Besonders empfehlenswert sind Gerichte wie Kavarma – ein schmackhafter Eintopf mit Fleisch und Gemüse – oder verschiedene Banitsa-Variationen, Blätterteiggebäck mit unterschiedlichen Füllungen. Der lokale Wein ist von überraschend guter Qualität und kostet im Restaurant selten mehr als 3 Euro pro Glas.
Für das Mittagessen bieten sich die zahlreichen Bäckereien an, die frisch gebackene Banitsa für unter 2 Euro verkaufen. Dazu ein bulgarischer Joghurt für 1 Euro, und man hat eine sättigende, authentische Mahlzeit für einen Bruchteil dessen, was man in Westeuropa bezahlen würde.
Der November als ideale Reisezeit
Gerade für Reisende über 50 bietet der November besondere Vorzüge. Die Stadt ist ruhig, ohne leer zu sein. Man kann die Sehenswürdigkeiten in eigenem Tempo erkunden, ohne sich durch Menschenmassen zu drängen. Die Temperaturen sind mild genug für ausgedehnte Stadterkundungen, aber kühl genug, dass Steigungen nicht zur Strapaze werden.
Die herbstliche Atmosphäre verleiht der Stadt eine melancholische Schönheit. Wenn am späten Nachmittag die Sonne tief steht und die Festungsmauern in goldenes Licht taucht, versteht man, warum Veliko Tarnovo einst als die schönste Stadt des Balkans galt. In den gemütlichen Cafés der Altstadt lässt sich bei einem heißen Kaffee für 1,50 Euro wunderbar das Treiben beobachten und der Tag Revue passieren lassen.
Veliko Tarnovo ist ein Reiseziel für Menschen, die Authentizität schätzen und keine Angst vor ein paar Kopfsteinpflastern haben. Es ist eine Stadt, die nicht versucht, etwas zu sein, was sie nicht ist – und genau das macht ihren besonderen Reiz aus. Die Kombination aus faszinierender Geschichte, lebendiger Gegenwart und bemerkenswert niedrigen Kosten macht ein Wochenende hier zu einer klugen Wahl für alle, die das echte Europa abseits ausgetretener Pfade erleben möchten.
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